von Hans-Jürgen Von der Wöste
Das Muskelspiel bei der Atemstütze ist zunächst bei den Bläsern und Sängern gleich.
Ich habe im ersten Video Maria Callas deshalb gewählt, weil sie unangefochten ein Jahrhunderttalent war.
Auch wenn man bei anderen Künstlern, sei es bei Sängern oder Bläsern dieses Muskelspiel nicht so gut sehen kann, oft verdeckt durch Hemd und Krawatte, findet es trotzdem statt. Vorausgesetzt, es erklingt ein schöner Ton. Bei gepressten Tönen, sei es beim Gesang oder bei den Blasinstrumenten, ist diese Muskelaktivität entweder nicht genügend aktiviert oder nicht entsprechend angelegt. Deshalb sollte man als Sänger oder Bläser diese obere Muskulatur ins Bewusstsein bringen. Viele Bläser fixieren sich nur auf das Zwerchfell, was sehr schade ist. Bei einem unschönen Ton (ein Beweis, dass die obere Kraft ungenügend vorhanden ist) wird oft die Lösung in einem größeren Mundstück gesucht. Aber ein unschöner Ton, bleibt ein unschöner Ton. Es wird sich nur die Tonfarbe (etwas heller oder dunkler) durch größere Mundstücke etwas verändern, nicht aber die klangliche Qualität und damit die künstlerische Ausstrahlung.
Sollte etwa diese Kraft, die Sie gleich im Video sehen werden, ein Bestandteil für das Jahrhunderttalent sein? Und ist diese Kraft eventuell die Ursache des wunderschönen Klanges?
Wenn ja, würde sich sicher jeder Schüler freuen, wenn er durch den Hinweis der oberen Muskulatur und mit entsprechenden Übungen seine Tonqualität finden könnte. Dann müsste er aber an den richtigen Körperstellen mit „Kraft“ konfrontiert werden, denn ohne geht es nicht. Aber sehen Sie selbst!
1. Demonstration / Auf folgendem Link ist Maria Callas zu sehen und zu hören
https://www.youtube.com/watch?v=I3ud0-Wtj80&list=PLpxHU0DQsfCy_YI3zJ0Yfl5SquLbSW9-2&index=19
Auf dem Video von Maria Callas sehen Sie nicht nur deutlich, wie die eingeatmete Luft vor dem ersten Ton wieder hinuntergedrückt wird, sondern es wird auch deutlich gezeigt, welche Kraft die Atemhilfsmuskel aufbringen, von der ich in meinen gesamten Veröffentlichungen spreche.
Bitte schauen Sie im Video auf
Minute 2:29/30
Man achte vor der Einatmung auf das Dokolleté und die herabziehende Muskulatur (Transversus thoracis). Direkt nach der Einatmung, also bevor der nächste Ton gesungen wird, wird von Maria Callas die herabziehende Stellung sofort wieder eingenommen. Hier wird deutlich sichtbar, dass die eingeatmete Luft nach unten gedrückt wird, um die Kehle vom Luftdruck zu befreien. Es wird die Kraft nicht hauptsächlich von unten nach oben (vom Zwerchfell zur Kehle) gelenkt, wie oft in der Pädagogik behauptet, sondern zunächst von oben nach unten, wie in meinen Publikationen beschrieben. Das ist die eigentliche Kraft, die für Sänger und Bläser von Bedeutung ist. Erst wenn diese Kraft aktiv ist, kann das Zwerchfell von unten nach oben aktiv werden. Was logischer Weise bedeutet, dass der lernende Schüler sich mit der oberen Kraft beschäftigen sollte. Leider wird oft immer nur vom Zwerchfell gesprochen.
Minute ab 2:50
Je höher der Ton, desto tiefer senken sich die oberen Rippen.
4:27 Ende einer Phrase
4:31 Einatmung
4:32 nächster Gesangston
Hier sieht man deutlich, wie die Kraft vom oberen Brustkorb nach unten gedrückt und der gesamte Kehlaufhängeapparat in Spannung gesetzt wird, um den künstlerischen Gesangston durch den Kehlkopf fließen zu lassen. Und dies mit Kraft, nicht mit Lockerheit!
5:24 Ende einer Phrase
5:25 Einatmung
5:27 nächster Ton
5:32 Einatmung
5:33 nächster Ton
Für die schönen vollen Töne werden die oberen Rippen nach abwärts gezogen. Besonders sichtbar an der 1. Rippe, direkt unter dem Schlüsselbein. Diese Kraft ist einerseits Veranlagung (siehe mein Artikel “Das Blasinstrument und der Atemhilfsmuskel“), andererseits natürlich durch Training der richtigen Muskulatur und ist deutlich als Gegenkraft des Zwerchfells, welches von unten nach oben drängt, zu sehen.
Ich hoffe, dass es Ihnen gefallen hat und überzeugt sind, dass auch zarte Töne, also das musikalische Resultat, welches „locker und leicht“ erklingt, mit gesteuerter innerer “Kraft“ erzeugt wird.
2. Demonstration: / Auf folgendem Link ist Anno Lauten zu sehen und zu hören
„Das alte Dampfross-Atemübung“
https://www.youtube.com/watch?v=8dLt5neP_q4
Diese alte Hechelübung, mit der jeder Sänger oder Bläser irgendwann mal in Berührung kam, führt Anno Lauten in hervorragender Weise vor und sie ist daher für die Musikschularbeit sehr gut geeignet.
Herr Lauten beginnt mit kräftigen Ausatemstößen, um die vorhandene Luft aus dem Brustbereich zu entfernen, damit der Brustbereich eine gute Position bekommt, dauerhaft aktiv zu sein. Nur so wird das Zwerchfell in seine untere Position gelenkt, was dann dem Zwerchfell erlaubt, diese Hechelübung zu vollziehen.
Zum Schluss sagt Herr Lauten, dass die Brust stillhalten muss.
Dieses „stillhalten“ darf auf keinen Fall mit Lockerheit verwechselt werden.
Wäre die obere Brustmuskulatur locker, würde man ein Hin und Her bei der Ein- und Ausatmung in der Brust sehen, was natürlich ein deutliches Zeichen einer falschen Atemstütze wäre.
Das „stillhalten“ erreicht man also damit, dass die Brustmuskulatur in einer dauernden Spannung verbleibt, auch während der kurzen Hecheleinatmung. So kann die eingeatmete Luftmenge nicht in den oberen Brustbereich eindringen. Diese Übung kann mit einer verkrampften Atemmuskulatur nicht vollzogen werden.
Also sehen wir auch hier, dass die obere Kraft aktiv eingesetzt wird, um damit die Voraussetzung einer guten Zwerchfellaktivität zu ermöglichen.
So ist die Festigkeit des Brustkorbs (stillhalten) zu verstehen.
Zum Abschluss eine weitere und sehr beindruckende und auch lustige Demonstration:
Aus dem Gesangskabarett für Bariton und Tenor.
Kann man einem Tenor das Singen beibringen?
Mit Martin Ackermann als „Maestro“ und Boris von der Linde als „Heinz“.
Maestro Massimo Fortissimo erklärt dem Tenor Heinz, was der Begriff "Stütze" im Gesang bedeutet.
Dieser Ausschnitt ist so ergreifend und vermittelt, dass die Gesangskunst mit Kraft zu tun hat und nicht mit „Lockerheit“. Und Blechbläser benötigen diese Kraft in einem noch größeren Maße. Hier wird sichtbar, was ich in meiner DVD “Die Problematik der Atemstütze bei Blechblasinstrumenten“ mit dem Bild der Klimmzüge beschrieben habe. Die große Tragekraft ohne Atemstütztechnik würde sofort die Kehle verschließen.
Aber durch die gute Atemstütztechnik schafft es „Heinz“, die Kehle trotz dieser enormen Tragekraft, zu öffnen.
Schauen Sie auf den Flügel und zwar auf den Fuß des Flügels. Er wird tatsächlich beim Singen einige Male kurz angehoben.
3. Demonstration: / Auf folgendem Link hören Sie Wagner
https://www.youtube.com/watch?v=UO50TxCswro
So wird uns hier auf einer beeindruckenden Weise gezeigt, was dramatische Musik für den Ausführenden bedeutet. Es ist pure beherrschte innere Kraft, die durch sensibles Einfühlungsvermögen erarbeitet wurde. Auch die zarten Töne des ersten Videos von Maria Callas, welche locker und leicht erklingen, werden durch beherrschte innere Kraft, tiefstes Empfinden und einer Klangvorstellung erzeugt. Locker und leicht erklingt also nur das Resultat.
Am Ende meines Artikels “Locker und leicht“ oder doch „mit Kraft“? sprach ich von einer Phrase, die niemandem weiterhilft. Darauf möchte ich nochmals zurückkommen.
Stellen Sie sich nochmals “Heinz“, unseren Tenor aus dem letzten Video vor.
Zugegebenermaßen hat Heinz etwas übertrieben, was aber in einer kabarettistischen Aufführung erlaubt sein muss. Wenn es so anstrengend wäre, dass der Künstler bei der Ausübung der Gesangs- oder Blastechnik umfallen würde, würde man wahrlich keinen Nachwuchs dafür begeistern können.
Aber ihn mit der Phrase „Locker und leicht“ zu werben, beschreibt nun auch nicht die Wirklichkeit.
1. Demo: Maria Callas (02.12.1923 – 16.09.1977) war eine griechisch-amerikanische Opernsängerin und eine der bedeutendsten Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts.
2. Demo: Anno Lauten, Betreiber der Stimm-Werkstatt in Köln https://www.stimm-werkstatt.de/
Mit herzlichem Dank für die freundliche Genehmigung meiner Erläuterungen, zu seinem Video.
3. Demo: Martin Ackermann als „Maestro“ und Boris von der Linde als „Heinz“ http://www.diegesangsstunde.de/
In eigener Sache: Ich habe für diese Demonstration anerkannte Künstler vorgestellt, damit sichtbar wird, dass ich keine neue Atemtechnik vermitteln möchte, sondern die schon immer angewandte Technik nur detailliert beschreibe.
Fragen bitte an info@edition-vonderwoeste.de
Copyright © 2020 EDITION VON DER WÖSTE